Sonntag, 15. Februar 2015

Aktuelle Politische Situation

"Blockade" und "Hartal" ist das was uns im Moment wohl am meisten beschäftigt. 
Seit zwei Wochen ist durchgehend Hartal und für die nächste Woche ist Hartal auch schon wieder angekündigt. 
Ein brennender Bus, beworfen von Molov-Cocktails
Ich selber habe noch nie einen gesehen!
Hartal ("Hortal" gesprochen) bedeutet, dass man am besten nicht mit dem Bus oder Auto fahren sollte, auch CNGs sollten gemieden werden. An Hartaltagen werden häufig Molotov- Cocktails auf die eben genanten Fahrzeuge geworfen. Wer dahinter steckt ist nicht immer ganz klar. 
Die Zeitungen sind immer voll mit brutalen Bildern. Man fragt sich ob diese Bilder u.a. auch als Panikmache benutzt werden. Die Häufigkeit ist zumindest auffallend.
Mehr Informationen dazu gibt der angehängte Artikel von der NETZ -Webseite. 
Der "Daily Star" aus Bangladesch schreibt auf English und kann auch als Informationsquelle benutzt werden.

Was Hartal und Blockade aber nun für uns bedeutet: 
Während der gesamten Blockade muss unsere ganze Volunteer- Gruppe in Dhaka bleiben. Leider ist es aus Sicherheitsgründen nicht möglich zurück nach Rangpur zu fahren oder sogar zu fliegen. Wir schlafen die ganze Zeit in unserem Guesthouse. Durch Dhaka können wir uns an solchen Tagen aber relativ frei bewegen. Busse benutzen wir aber nicht, da diese teilweise an Blockadetagen als Angriffsziel gelten. 
An Hartaltagen sind die Einschränkungen noch größer. Wir dürfen das Guesthouse zwar verlassen aber leider nur in einem gewissen Radius. In andere Stadtteile als Dhanmondi, Mohammadpur und Lalmatia dürfen wir nicht; diese drei grenzen (fast) direkt an unser Guesthouse. 
Diese Tage sind meistens relativ eintönig. Wir arbeiten mal am Computer, mal fehlt die Motivation und mal schläft man einfach richtig lang. 

Nun stell dir das Leben hier aber mal nicht zu schlecht vor. Ich habe viele Bengalen, die ich so mehr oder weniger als Bekannte/Freunde bezeichne und mit denen ich mich manchmal in der Umgebung treffe. 
Die Gitarre ist zu meinem neuen Liebling geworden und ich übe fleißig. 
Wirklich großer Gefahr sehe ich mich nicht ausgesetzt. Eine Riksha ist so offen, dass man immer flexibel abspringen kann. Also alles nicht so schlimm. 
Es konnte ja auch nicht ewig so gut weitergehen, wie es hier für mich in Bangladesch angefangen hat.
Häufig telefoniere ich mit Mizan um ihm zu bekunden wie sehr ich ihn und unsere anderen Kollegen vermisse. Dann höre ich mal wieder wie es in Rangpur abläuft und wünsche mir dort zu sein. 
Andererseits gewöhnt man sich an das Dhaka-Leben mehr und mehr und es ist auch irgendwie gar nicht mehr so schlimm. 


Nun der Artikel:

Dienstag, 10. Februar 2015

Bei gewalttätigen Ausschreitungen sind seit dem 5. Januar 2015 über 60 Menschen in Bangladesch ums Leben gekommen. Über 1000 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der 5. Januar markiert den Jahrestag der Parlamentswahlen, welche die Awami-Liga (AL) Anfang 2014 deutlich gewonnen hatte. Ihr Sieg war jedoch umstritten; die Bangladesh Nationalist Party (BNP) und weitere Oppositionsparteien hatten im Vorfeld der Wahl Manipulationsvorwürfe erhoben und in der Folge diese boykottiert.

Die BNP forderte Neuwahlen unter einer neutralen Interimsregierung. Die AL weist dies stets zurück mit dem Hinweis, die Wahlen seien verfassungskonform durchgeführt worden. So rief die Oppositionsführerin Khaleda Zia am 5. Januar 2015 zu Straßenblockaden auf. Am gleichen Tag kam es trotz eines Versammlungsverbots zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der regierenden AL und ihren Gegnern. Dutzende Menschen wurden verletzt. Die Straßenblockaden dauern bis heute an und rufen täglich neue Gewalt hervor. Busse werden mit Brandbomben beworfen, Fernzüge zum Entgleisen gebracht, Fährschiffe angezündet. Auch eine Schülerin aus einer von NETZ geförderten Vorschule starb, als ein Bus in Gaibandha in Flammen aufging. Mit ihren Eltern war sie auf dem Weg nach Dhaka, die dort Arbeit finden wollten; die Mutter wurde durch das Feuer schwer verletzt.

Die Blockaden haben immense Auswirkungen auf das Transportwesen und die Wirtschaft. Busse und Züge fahren nur eingeschränkt und unregelmäßig. Um ein Minimum an Mobilität sicher zu stellen, werden Fernbusse hin und wieder von Polizeieinheiten eskortiert. Güter für den täglichen Bedarf werden knapper, ihre Preise steigen, die ärmste Bevölkerung ist am stärksten davon betroffen. Viele Eltern sehen davon ab, ihre Kinder in die Schulen zu schicken. Lehrer beklagen leere Klassenzimmer.

Die Regierung beschuldigt die Opposition, für die Gewalt verantwortlich zu sein. Premierministerin Sheikh Hasina bezeichnete Oppositionsführerin Khaleda Zia als "Königin der Gewaltbereitschaft und des Terrors". Die BNP ihrerseits sieht die Schuld bei der die Regierung. So sollen bei Protestkundgebungen mehrere Mitglieder der Oppositionspartei ums Leben gekommen sein - durch Waffen der Polizeikräfte und Anhänger der regierenden Awami-Liga.

Am 6. Januar nahm die Polizei den Generalsekretär der BNP, Fakhrul Islam Alamgir, fest. Ihm würden Brandstiftung, Bombenanschläge und Vandalismus vorgeworfen, sagte ein Polizeisprecher. Mittlerweile ist er auf Bewährung auf freiem Fuß. Die Regierung macht deutlich, dass sie mit Härte gegen alle vorgehen will, "die Instabilität und Chaos verursachen". Der Chef der bangladeschischen Grenzpolizei kündigte an, vermehrt den Einsatz von Waffen anzuordnen, um Gewalt einzudämmen. Die Premierministerin wies die Sicherheitskräfte an, "nichts zu unterlassen, um die Sicherheit der Menschen und die Stabilität des Landes zu gewährleisten". Sie selbst sei für alle Aktivitäten der Sicherheitskräfte verantwortlich. Unmittelbar danach erklärte ein Minister, dass "wie in Kriegszeiten Brandstifter und Saboteure erschossen werden können". Transparency International Bangladesh äußerte Bedenken, dass durch die Aussagen führender Politiker Sicherheitskräfte einen Persilschein für jegliche Art von Gewalt erhielten, ohne Verantwortung dafür tragen zu müssen. Zudem nehmen die Verhaftungen von Oppositionellen weiter zu. Mehrere tausend Anhänger der Oppositionsparteien sind nach Medienangaben seit Beginn der Ausschreitungen verhaftet worden. Beobachter und Medien äußern sich zudem kritisch zu außergerichtlichen Hinrichtungen von Oppositionellen. Seit dem 6. Januar wurden mehr als zwanzig Oppositionelle - vornehmlich Angehörige der islamistischen Jamaat-e-Islami - im so genannten Kreuzfeuer von Sicherheitskräften erschossen.

Vom 18. bis 22. Januar wurde die Nutzung der Internet-Kommunikationsdienste Viber, Tango und WhatsApp blockiert, um die Opposition daran zu hindern, ihre Straßenblockaden über diese Plattformen zu koordinieren. Die Regierung erhöhte zudem den Druck auf Khaleda Zia; wiederholt wurde angekündigt, sie als Verantwortliche für Terror und Gewalt zu verhaften. Die Anti-Korruptionskommission kündigte an, einen Korruptionsfall von 2007 gegen sie neu aufzurollen. In der Nacht zum 1. Februar waren der Strom sowie Telefon- und Internetverbindungen in Zias Büro in Gulshanfür 19 Stundenabgestellt. Die Oppositionsführerin hält sich seit dem 3. Januar dort auf. Vom 3. bis 18. Januar stand sie unter Hausarrest.

Die Regierung lässt verlauten, sie sei zum Dialog mit der BNP bereit, wenn diese von weiterer Gewalt absehen, die Straßenblockaden beenden und sich von der Jamaat-e-Islami distanzieren würde. Die Opposition, die weiterhin die Regierung für die Gewalt verantwortlich macht, drängt auf schnellstmögliche Neuwahlen unter einer neutralen Interimsinstitution. Nur dann sei der Boden bereitet, um zu Gesprächen zusammen zu kommen. Zugeständnisse sind auf keiner Seite in Sicht.

Zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmerverbände rufen die verfeindeten Parteien dazu auf, die Gewalt durch Dialog zu beenden. Menschenrechtsverteidiger beklagten, dass durch das Vorgehen der Regierung die Meinungsäußerungsfreiheit weiter eingeschränkt werde.
 Medienverbände kritisierten die Abschaltung des Fernsehsenders ETV, des ältesten Privatsenders des südasiatischen Landes, nachdem dieser eine Rede des seit 2008 im Londoner Exil lebenden Sohns der Oppositionsführerin ausgestrahlt hatte. Der ETV-Chef Abdus Salam wurde festgenommen. Begründet wurden die Maßnahmen mit der Beschwerde einer Frau, derzufolge der Sender "pornografische Bilder" von ihr veröffentlicht habe. ETV wies dies als fadenscheiniges Argument zurück. Zugleich ist Zurückhaltung unter Menschenrechtsorganisationen zu spüren. Befürchtungen, mit Kritik an der Regierung den Parteien des politischen Islam zu einem Comeback zu verhelfen oder gar als deren Unterstützer gebrandmarkt zu werden, sind verbreitet.

Die internationale Gemeinschaft zeigt sich in öffentlichen Statements "tief schockiert" ob der Todesopfer und verurteilt die Gewalt scharf. UN, EU und die USA rufen die Parteien auf, von weiteren Gewalttaten abzusehen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und zu einem Dialog zusammen zu kommen. Zudem sei es nicht akzeptabel, dass im Rahmen einer Sicherheitsnarrative die Freiheit der Meinungsäußerung eingeschränkt würde.

Lieben Gruß, der Paul

Ein Tag in Rangpur, damals...

Der Wecker klingelt, ich wache auf und schlummer noch eine Weile vor mich hin. Das Bett ist so warm und kuschelig - mein Zimmer so kalt. Ich raffe mich auf und koche das Wasser für die Dusche. Ich halte es nicht aus mit dem kalten Wasser zu duschen. Nach der Dusche gehe ich, wie jeden Morgen, nach oben zu meiner „House-owner-family“ frühstücken. Es gibt Rooties und Gemüse. Nach den 4 Rooties muss ich mich beeilen. 
Ich bin schon wieder spät dran. Um fünf Minuten nach neun komme ich im Office an, so wie jeden Morgen. 
Nach meiner morgendlichen Begrüßungsrunde bei allen meinen Kollegen geht es direkt los zu den Schulen. 
Klassenfoto, eines von 100 Fotos pro Schule
Heute stehen drei Schulbesuche im Gangachara Upuzila an. Meine Aufgabe ist zu den Schulen zu fahren, zu beobachten, aber vor allem Fotos zu machen. Pro Schule werden 6 verschiedene Bilder benötigt um diese für einen Report an die Spender zu verwenden. Ein Foto soll das Schulgebäude zeigen, ein anderes die ganze Klasse. Ein Foto von der Lehrerin, eines von Gruppenarbeit und ein Foto von einem einzelnen Schüler beim Lernen werden benötigt. Ein letztes Foto soll Lehrmaterialien zeigen. Während jedem Schulbesuch mache ich ca. 100 Fotos um dann am Ende die besten auszuwählen und an NETZ weiterzugeben.
Heute fahre ich mit Arif ins sog. „Field“, also zu den Schulen. Arif ist Training-Officer bei Jagorani Chakra Foundation und er gehört zu den Kollegen, die mir in der kurzen Zeit schon richtig ans Herz gewachsen sind.
Wir fahren also los, er fährt, ich sitze hinten und kann den Anblick der Landschaft genießen. Die abgeernteten Reisfelder, die vielen Fahrradfahrer, das laute Hupen, alles gehört zu meinem Bild von Rangpur, meinem neuen Zuhause. Leider kann man diesen Anblick im Dezember nicht mehr wirklich genießen, weil es einfach unglaublich kalt ist auf dem Motorrad. Die Sonne versteckt sich auch nur hinter Wolken, kommt manchmal erst um 15 Uhr durch. 

Die erste Schule ist relativ nah, 30 Minuten Fahrzeit. Sobald wir in den Klassenraum treten, werden wir respektvoll mit einem „Assalamualeikum“ begrüßt. Wir antworten „Ualeikumassalam“. Unglücklichweise trage ich immer Schnürrschuhe und brauche ein bisschen um die Schuhe auszuziehen. Dementsprechend komme ich ein bisschen zu spät in den Klassenraum und mein „Assalumaleikum“ ist meist sehr viel verhaltener als das Vorangegangene. Ich muss zugeben, dass mir dieser repektvolle Umgang, mit dem mich die Menschen Bangladeschs behandeln, sehr gefällt.

Während die Lehrerin den Unterricht etwas verunsichert weiterführt, störe ich mit meiner Fotografiererei ein bisschen. Die 27 Kinder der Schule sind vor allem an mir und meiner Kamera interessiert. Trotzdem geht die Englisch-Stunde weiter, bei der die Schüler vorgeben konzentriert bei der Sache zu sein. Eigentlich ist ein Ausländer aber viel interessanter. 
Arif, mein Kollege greift bei der Stunde häufig ein, er übernimmt den Unterricht sozusagen. Man könnte es kritisieren. Der Lehrerin kann dadurch der Respekt verloren gehen. Andererseits ist Arif der Trainer der Lehrerin und selbst sehr gut als Lehrer geeignet. Er lässt neuartige Lehrmethoden mit einfließen um das ständige Wiederholen von lautem Vorlesen aus Büchern zu vermeiden.
Frauen und Männer der Region bepflanzen
das Flussbett mit Tabak
Nach 30 Minuten fahren Arif und ich weiter. Wir erreichen den Fluss „Tista“. Die Fähre, die uns über den Fluss bringt steht schon bereit. Obwohl das Boot nicht besonders vertrauenserweckend aussieht hat es Platz für max. 4 Motorräder, ganz schön wackelig. 
Fähre über den Tista, Tabakfelder auf dem anderen Ufer
Der Tista hat ein Flussbett, dass ca. 2km breit ist. Im Dezember ist der Fluss allerdings meist nicht breiter als 50m. In Indien befindet sich ein Staudamm, der das Wasser für die indische Landwirtschaft hält, weswegen kaum Wasser nach Bangladesch fließt.
Das Flussbett selbst fasziniert mich sehr. Da es ca. 10 Monate im Jahr begehbar ist, gehört das Land verschiedenen Menschen, die dort ihre Felder bewirtschaften. Vorranging werden Gemüse und Tabak angebaut. Aber die Anbaufläche ist schwierig zu bewirtschaften, da sie vor allem sandig ist. 
Motorcross in dem sandigen Flussbett
Motorradfahren in diesem Gebiet stellt uns vor große Schwierigkeiten - teilweise steige ich ab, damit Arif das Motorrad bewegen kann. Aus irgendwelchen Gründen zieht mich diese Gegend an und ich bin hier sehr gerne. Andererseits kann ich mir vorstellen, wie schwierig es ist hier zu leben und jeden Tag die weiten sandigen Strecken zu laufen.


Wir erreichen die zweite Schule. Es ist alles sehr ähnlich nachdem ich schon ca. 50 Schulen gesehen habe, die nach dem gleichen 
Prinzip gebaut worden sind.
Da das Schulgebäude sehr dunkel ist, muss ich durchgehend mit Blitzlicht fotografieren. Nach ca. 30 Fotos überhitzt meine Kamera. Mich nervt es tierisch darauf zu warten, dass der Blitz wieder funktioniert, während ich gute Fotomotive verpasse. Ich fange an darüber nachzudenken mir eine Aufsteckblitz zu kaufen der nicht versagt.
Der Lehrer erklärt den Schülern

Nachdem Arif und ich eine letzte Schule besuchen brechen wir wieder auf um den Fluss zu überqueren. Wir warten ca. 30 Minuten bis die Fähre endlich kommt. Sie liegt sehr tief im Wasser. Als sie ankommt sehe ich, dass sie 45 Säcke mit Düngemittel geladen hat. Weitere 30 Minuten später sind wir endlich am anderen Ufer und begeben uns auf den Heimweg. Es ist schon vier Uhr und wir haben noch nicht zu Mittag gegessen. 

Wir entscheiden in Rangpur zu essen und fahren zurück zum Office.